Wer in Deutschland Karriere machen möchte, sich beruflich weiterentwickeln, sein Gehalt erheblich steigern und dazu auch noch die Anerkennung seines oder ihres sozialen Umfelds haben möchte, muss früher oder später Führungskraft mit Menschenverantwortung werden. Denn all diese Dinge in einer Karriere als Fachkraft zu erlangen, ist, zumindest in Deutschland, noch sehr schwer.
Deshalb streben viele von uns Richtung Menschenführung. Ohne wirklich zu wissen, ob wir überhaupt dafür geeignet sind, ob uns das Spaß macht, ohne vorab ein Training zu erhalten und oft mit der inneren Einstellung: So schwer kann das gar nicht sein, ich mache das einfach besser als mein Chef.
Kaum jemanden ist vorher bewusst, was es eigentlich bedeutet, für Menschen verantwortlich zu sein. Wie auch? Wir machen es das erste Mal. Die wichtigsten Erfahrungen mit dem Thema Führungskraft haben wir mit unseren Chefs und Chefinnen gemacht. Wir können auf jeden Fall besser führen als sie es gemacht haben – oder? Es gibt einen Grund für den riesigen Markt an Führungskräfteentwicklung und dafür, dass so viele Unternehmen in dieses Feld investieren. Auch dafür, dass so viele Menschen mit ihrer Führungskraft unzufrieden sind.
Eigentlich gibt es zwei Gründe:
- Nicht jeder ist die geborene Führungskraft. Aber macht es trotzdem, weil man das eben so macht.
- Unternehmen arbeiten in und mit völlig veralteten Strukturen – und wollen das mit neuer Führung ausgleichen. Das kann nicht funktionieren. (Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal :-).)
Führungskraft sein ist oft nicht so glamourös, wie wir uns das zu Beginn vorstellen. Vor allem während der ersten Monate und Jahre, in denen wir uns als Führungskraft eingrooven, ist das ein echter Knochenjob. Da die wenigsten von uns die geborenen Führungskräfte sind, und wir oft nicht wissen, in welches Abenteuer wir uns da eigentlich stürzen, kommen hier ein paar gute Tipps für den Anfang, die Dir einen klitzekleinen Vorsprung gewähren:

1. Alles fängt mit Dir an und hört mit Dir auf.
Es sind nie, wirklich nie die anderen. Es kommt immer darauf an, wie Du mit Situationen umgehst. Das setzt von Anfang Zeichen an das Team. Das ist vielleicht das Schwerste von allem: Du bist das gute Vorbild und gehst als solches voran. Für Dich gelten dieselben Regeln, wie für alle im Team. Du bist verantwortlich für die Kultur in Deinem Team. Wie wird miteinander, mit Kunden, Einnahmen und Ausgaben umgegangen? Was ist wünschenswertes Verhalten, was ist es nicht?
2. Du brauchst Verbündete & Vertraute.
Die erste Zeit als Führungskraft ist schwer. Auf einmal brauchst Du völlig neue Skills, alle wollen etwas von Dir und Du weißt nicht, wo Dir der Kopf steht. Deshalb hilft es, wenn Du Dir, am besten im Unternehmen, Verbündete und Vertraute suchst, mit denen Du über Probleme im Team, mit Teammitgliedern oder (Selbst)Zweifel offen reden kannst. Am besten Menschen, die Dir ohne Angst den Spiegel vorhalten und gleichzeitig auch genau verstehen, was eigentlich gerade los ist.
3. Welche Art von Führungskraft möchtest Du sein?
Die Wahrscheinlichkeit, dass Du die geborene Führungskraft bist, ist relativ unwahrscheinlich. Auch mit Talent, braucht es viel Übung, Werkzeuge und Methoden um dieser vielfältigen Aufgaben und den Ansprüchen daran - vor allem auch den eigenen - gerecht zu werden. Deshalb lese Dich ein, hole Dir so früh wie möglich so viele Informationen wie machbar ein (sowohl über Führung als auch über Dein Team), mach Online Trainings und und und. Finde heraus, was für eine Führungskraft Du sein möchtest, was für eine Führungskraft Du sein kannst. Denn bloß nicht so zu sein, wie der schlechteste Chef, den Du hattest, ist keine Strategie.
4. Ohne Team, keine Führungskraft.
Lerne Dein Team kennen. Lerne es wirklich kennen. Höre zu, bevor Du redest. Beobachte, bevor Du handelst. Sei offen dafür, Neues zu lernen. Deine:n Gegenüber:in wirklich verstehen zu wollen. Das Geheimnis ist Deine innere Haltung: Glaubst Du, schon alles zu wissen? Das merken Deine Kollegen:innen. Sprichst und handelst Du aus einer inneren Haltung der Offenheit und Neugier, macht sich das in Deiner Kommunikation und in Deinen Handlungen bemerkbar. Und wird mit Sicherheit von den Menschen in Deiner Umgebung honoriert.
5. Delegation ist der Schlüssel zu Deiner kurz- und mittelfristigen Zurechnungsfähigkeit.
Delegation ist selbst für erfahrene Führungskräfte nicht immer einfach. Denn schließlich bist Du genau da, wo Du gerade bist, eben weil Du bestimmte Dinge richtig richtig gut kannst. Aber jetzt musst Du lernen, anderen Leuten beizubringen wie sie diese Dinge richtig richtig gut machen – und sie diese auch tun lassen.
6. Worte haben Macht.
Es ist wichtig zu verstehen, dass sich Deine Rolle von heute auf morgen geändert hat. Warst Du gestern noch ein Teammitglied, bist Du heute Vorbild. Das bedeutet auch, dass Dinge, die Du gestern noch gesagt hast und über die jeder gelacht hat, heute nicht mehr lustig sind. Denn heute bist Du in einer Machtposition und Dein Verhalten hat weitaus mehr Einfluss auf das Wohlbefinden Deiner Teammitglieder, als Dir eigentlich bewusst – und lieb – ist. Der Witz zwischen Tür und Angel, bei dem doch eigentlich jeder weiß, wie er gemeint war – das geht nicht mehr. Und eine unbedachte Äußerung zu dem Fehlverhalten von XY kann die Stimmung im ganzen Team verändern.
Auf der anderen Seite kann Deine Leidenschaft und Deine Motivation das Team (und ein ganzes Unternehmen) positiv beeinflussen. Eine positive Sprache und Wortwahl wird wahre Wunder wirken. Das heißt nicht, dass Du ab sofort nur noch über Herausforderungen anstatt Probleme sprechen musst (Probleme sind Probleme, so wie ein Schaf ein Schaf bleibt – hier empfehle ich den Artikel meines Kollegen Andreas Diehl zu den Sprachblüten der Corporate Language). Aber anstatt darauf genervt zu reagieren, freue Dich darüber. Aktiviere Deine Kollegen anstatt sie mitzunehmen (Kommunikation auf Augenhöhe).
7. Ja, es gibt so etwas wie Übermotivation – Priorisiere. Jeden Tag!
Gerade zu Beginn einer neuen Aufgabe voller Verantwortung stürzt man sich mit Freude ins Abenteuer. Du willst Dich beweisen, alles richtig machen, am besten mit Sternchen, und alle zufrieden stellen. Du wirst mit Aufgaben überschüttet werden, weswegen es wichtig ist, diese zu priorisieren. Das nicht nach Dringlichkeit, sondern nach Wichtigkeit. Es gibt jeden Tag Hunderte von Dingen, die fürchterlich dringend sind. Aber sind sie das wirklich? Was von den dringenden Sachen ist wirklich wichtig? Es ist von großer Bedeutung für Deine psychische Gesundheit, zu verstehen, dass nicht alles was dringend ist, wirklich wichtig ist. Nimm Dir die Zeit zu verstehen und zu unterscheiden, was wirklich bedeutsam ist.
8. Erwartungsmanagement durch Kommunikation.
Du bist nicht nur Führungskraft, sondern auch ein Mensch, mit Vorstellungen, Erwartungen, Ansichten und Werten. All das beeinflusst Deine Arbeit und das Zusammenspiel mit Deinen Kollegen:innen. ABER es ist essentiell, dass Du Deine Erwartungen und Vorstellungen kommunizierst. Denn nichts, wirklich gar nichts ist selbstverständlich. Was soll wie gemacht werden? Wer hat welche Rolle und Verantwortung im Team? Wie wird mit Problemen umgegangen? Jeder Mensch hat eine eigene Vorstellung von Wahrheit, von richtig und von falsch – deshalb ist es wichtig, dass Du eine klare Erwartungstransparenz schaffst. Das ist anstrengend und manchmal sogar nervig – aber die beste Präventionsmaßnahme, um Missverständnisse und Groll zu vermeiden.
9. Achte auf Dich und Dein Wohlbefinden.
Die erste Zeit in einem neuen Job ist super anstrengend. Neue Menschen, neue Abläufe, neue Werte, neue Systeme – eigentlich könntest Du 24/7 arbeiten und siehst trotzdem kein Licht am Ende des Tunnels. Deshalb ist es gerade in der Anfangszeit wichtig, dass Du auf Dich achtest. Nein, Du kannst Sport nicht ausfallen lassen, weil noch irgendetwas wichtiges fertig gemacht werden muss. Nein, Du kannst auch nicht weniger schlafen. Ja, eine Mittagspause ist wichtig. Ja, dreimal die Woche Pizza essen, weil Du keine Zeit hast zu kochen, ist ebenfalls nicht zielführend. Das wird am Anfang nicht perfekt klappen, aber es ist wichtig, dass Du auf dem Schirm hast, dass es Dir gut gehen muss, damit Du Dich gut um andere kümmern kannst. Denk an die Sauerstoffmasken im Flugzeug.
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Führungskraft sein und werden ist aufregend und toll. Viel Verantwortung, Handlungsspielraum und jede Menge Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Vor allem, einem Team einen sicheren und produktiven Arbeitsraum zu geben. Es ist oft der schönste Job der Welt, aber manchmal auch so herausfordernd, dass man laut „Scheiße“ rufen und um 11 Uhr ein Bier aufmachen möchte. Und das ist ok.
Es ist wichtig zu verstehen, dass man die Aufgaben einer Führungskraft eben nicht “mal eben nebenbei” neben den eigentlichen, sachlichen Aufgaben erledigen kann. Führen ist eine Vollzeitverantwortung, der man auch gerecht werden muss. Wie man das tut, dafür gibt es 1001 und einen Weg. Den für Dich richtigen musst Du selbst finden.
Du möchtest mehr über gute Führung lernen, Dich mit anderen darüber austauschen und Dein Netzwerk erweitern? Dann melde Dich bei “Leadership Groundwork” an, dem Grundlagen Training von Leaders With Attitude.